Patient Reported Outcomes – und ihre Rolle im Rahmen der Arzneimittel-Zulassung
Klinische Studien benötigen eine stärker patientenzentrierte Perspektive – das fordern Regulierungsbehörden wie FDA und EMA. Patient Reported Outcomes (PROs) leisten einen wichtigen Beitrag, um diesem Ziel näherzukommen. Doch ihre Nutzung in klinischen Studien ist längst nicht selbstverständlich.
Wo stehen wir heute und welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen, um strukturierte Patientenbefragungen stärker in die klinische Forschung zu integrieren?
Was sind Patient Reportes Outcomes (PROs)?
Viele Ergebnisse einer Behandlung können Patientinnen und Patienten nur selbst berichten und beurteilen: Dazu zählen Symptome wie Schmerzen, Schwindel oder Erschöpfung, bestimmte Einschränkungen im Alltag oder die allgemeine Lebensqualität (Quality of Life). Um Einblicke zu gewinnen, wie Patienten ihren Gesundheitszustand selbst wahrnehmen, kommen Patient Reported Outcomes ins Spiel.
Die ursprüngliche Definition der FDA lautet: Patient Reported Outcomes (PROs) sind das Ergebnis der Messung gesundheitsbezogener Aspekte, die direkt von Patientinnen oder Patienten berichtet werden, ohne dass ein Dritter die Information interpretiert [1].
Gemessen werden Patient Reported Outcomes entweder durch einen Selbstbericht oder durch ein Interview – vorausgesetzt, der Interviewer zeichnet nur die Angaben des Patienten auf.
Patient Reported Outcome Measures (PROMs)
Unter Patient Reported Outcome Measures (PROMs) versteht man die Instrumente zur Erfassung von PROs. Häufig handelt es sich dabei um Fragebögen (Questionnaires). Man unterscheidet
- generische PROMs, die allgemeine Gesundheitsaspekte oder die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Quality of Life) abbilden
Beispiel: EQ-5D der EuroQoL-Gruppe (ein multidimensionaler PROM zur Messung der Health Related Quality of Life, HRQoL) - spezifische PROMs, die gesundheitsbezogene Daten in Bezug auf eine bestimmte Erkrankung oder Intervention messen
Beispiel: QLQ-C30 der European Organisation for the Treatment and Research of Cancer (EORTC) zum Einsatz bei Karzinom-Patienten
Einen guten Überblick über etablierte Patient Reported Outcome Measures (PROMs) bietet die ePROVIDE™-Datenbank der gemeinnützigen Mapi Research Trust [2].
Die Bedeutung von Patient Reported Outcome Measures (PROMs) im Gesundheitswesen
Die Qualität der medizinischen Versorgung wurde lange Zeit aus rein professioneller Perspektive definiert. Patient Reported Outcome Measures (PROMs) vervollständigen unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit, indem sie die Krankheitslast und die Wirkung von Interventionen aus Sicht der Patientinnen und Patienten aufzeigen.
Generell können PROs und PROMs im Gesundheitswesen auf mehreren Ebenen zum Einsatz kommen [3]:
- Im Rahmen der medizinischen Intervention lassen sich Patient Reported Outcomes als Befundwerte nutzen, um eine bessere individuelle Versorgung und Therapiesteuerung zu erreichen. Auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient soll so erleichtert werden.
- Im Rahmen der qualitätsorientierten Steuerung leisten Patient Reported Outcome Measures (PROMs) einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen und zur Evaluierung gesundheitspolitischer Initiativen.
- Im Rahmen der Evidenzgenerierung dienen Patient Reported Outcomes als Endpunkte in der klinischen Forschung – entweder allein oder in Ergänzung zu klinischen Daten.
Generell gilt: Patient Reported Outcomes spielen im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle, weil klinische Messergebnisse wie Laborwerte nicht immer das subjektive Empfinden von Patientinnen und Patienten widerspiegeln. Um den tatsächlichen Nutzen therapeutischer Maßnahmen zu bewerten, ist die Einbeziehung der Wahrnehmung von Patienten in die klinische Forschung unerlässlich.
EMA und FDA fordern patientenzentrierten Ansatz in der Arzneimittel-Zulassung
Auch in klinischen Studien bzw. Prüfungen gewinnen Patient Reported Outcomes vermehrt an Bedeutung. Denn Regulierungsbehörden haben ihr Potenziel erkannt und fordern im Rahmen der Arzneimittel-Zulassung zunehmend einen patientenzentrierten Ansatz ein.
Vor allem die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) nimmt hier eine Vorreiter-Rolle ein, sie hat umfangreiche Guidance-Materialien zu Patient-Focused Drug Development veröffentlicht [4]. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nennt die systematische Nutzung von Patient Reported Outcome Measures (PROMs) im Bereich der Arzneimittel-Entwicklung in einem 2020 publizierten Papier als strategisches Ziel [5]. Eine Expertengruppe der EMA hat hierzu eine Reihe an Empfehlungen erarbeitet [6].
Übrigens ist ein patientenzentrierter Ansatz in Deutschland auch gesetzlich verankert: Laut Sozialgesetzbuch [SGB V, § 35b, Abs (1)] soll beim Kosten-Nutzen-Vergleich von Arzneimitteln unter anderem die Verbesserung der Lebensqualität berücksichtigt werden.
Patient Reported Outcome Measures (PROMs) in klinischen Studien – der aktuelle Stand
Doch inwieweit kommen PROMs schon heute bei der Zulassung von Arzneimitteln zur Anwendung? Um diese Frage zu beantworten, hat eine italienische Forschergruppe sämtliche European Public Assessment Reports (EPARs) zu Human-Arzneimitteln analysiert, die im Zeitraum 2017 bis 2022 bei der EMA eingereicht wurden [7].
Das Ergebnis: In knapp der Hälfte (48,5 Prozent) der Fälle wurden PRO-Daten berücksichtigt. Im Bereich der Nicht-Generika war der Anteil mit 59 Prozent deutlich höher. Ein Vergleich zwischen zugelassenen und abgelehnten Arzneimitteln ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede.
Ein spannendes Detail: In klinischen Studien zu Arzneimitteln für seltene Leiden (Orphan Drugs) kamen signifikant häufiger – nämlich in 67 Prozent der Fälle – PROMs zur Anwendung.
Der Review zeigt außerdem eine hohe Heterogenität der verwendeten PRO-Instrumente auf: Insgesamt haben die Forschenden 314 unterschiedliche PROMs identifiziert. Rund ein Drittel (32,5 Prozent) davon bezog sich auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Quality of Life).
Herausforderungen bei der Integration von Patient Reported Outcome Measures (PROMs)
Diese Ergebnisse zeigen: Trotz der Forderung von Regulierungsbehörden nach einem patientenzentrierten Ansatz bei der Arzneimittelentwicklung werden in etwa der Hälfte der klinischen Studien keine Patient Reported Outcome Measures (PROMs) verwendet.
Ein möglicher Grund ist, dass die Arbeit mit PRO(M)s komplex sein kann. Die Herausforderungen liegen – wie auch die Expertengruppe der EMA betont [6] – auf mehreren Ebenen:
Harmonisierung von Patient Reported Outcome Measures (PROMs)
Zur Erfassung von PRO-Daten steht heute eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung, die häufig nicht validiert sind. Das heißt: Es ist nach derzeitigem Stand der Forschung nicht immer klar, ob die verwendeten Messinstrumente auch das erfassen, was sie zu messen vorgeben.
Darüber hinaus sind zur Erfassung ein- und desselben Konstrukts (wie Lebensqualität) häufig verschiedene PROMs verfügbar. Deren Ergebnisse sind nicht immer vergleichbar. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, um die verfügbaren PROMs zu harmonisieren und so die Qualität der Messungen zu erhöhen.
Internationalisierung klinischer Studien
Klinische Studien erfolgen heute oft nicht nur in Deutschland, sondern über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Die Übersetzung und kulturelle Anpassung von PROMs ist daher unerlässlich, um Messinstrumente wie Fragebögen international anzuwenden.
Dabei steht viel auf dem Spiel. Denn die Ergebnisse müssen in allen Ländern vergleichbar sein. Nur so können die erhobenen Daten für statistische Analysen zusammengeführt werden. Mangelhafte Lokalisierung kann den Erfolg der Studie und damit die Arzneimittel-Zulassung gefährden.
Was oft übersehen wird: Lokalisierung umfasst mehr als nur die Übersetzung! Die kulturelle und sprachliche Anpassung von PROMs ist ein komplexer, mehrstufiger Prozess. Dieser kann zeitaufwendig sein und erfordert entsprechende Ressourcen. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserem Beitrag zur linguistischen Validierung.
Digitalisierung des Gesundheitswesens
Patient Reported Outcomes wurden früher meist durch Fragebögen erfasst. Heute übernehmen häufig elektronische Hilfsmittel diese Aufgabe. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens eröffnet einerseits neue Chancen: Patienten können beispielsweise über Smartphone-Apps in Echtzeit Symptome erfassen und ihre Gesundheit dokumentieren. Dies ermöglicht eine ortsunabhängige und effizientere Datenerhebung.
Andererseits bringt die Digitalisierung auch erhebliche Herausforderungen mit sich: Dies reicht von Investitionskosten für die App-Entwicklung über die laufende Wartung bis zur Qualitätssicherung. Zudem ist die Wahrung von Datenschutz-Standards wichtig. Und ebenso wie papierbasierte Fragebögen müssen auch elektronische Anwendungen lokalisiert werden, um sie in verschiedenen Ländern nutzen zu können.
In Deutschland hat das Bundesministerium für Gesundheit kürzlich eine Machbarkeitsstudie initiiert, um die Anwendung und Weiterentwicklung digitaler Patientenbefragungen im deutschen Gesundheitssystem zu fördern [8].
Fazit: Nutzung von PROMs in klinischen Studien bedarf sorgfältiger Planung
Internationale Zulassungsstudien, die Länder- und Sprachgrenzen überschreiten, erfordern eine umfassende Vorbereitung. Eine zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung der Genauigkeit und Konsistenz verschiedener Sprachversionen von PROMs.
Nicht zu vergessen: Auch die Übersetzung und Anpassung von Schulungsmaterialien für Ärzte und Beobachter ist nötig. Dies minimiert Fehlerquellen und maximiert die Qualität der Messungen.
Sprachdienstleistungen als Erfolgsfaktor
Wir empfehlen Ihnen daher die frühzeitige Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Sprachdienstleister wie mpü, der über die nötige Erfahrung und Ressourcen verfügt, um Sie bei der Implementierung von PROMs zu unterstützen.
Unsere bewährten Sprachlösungen sind richtlinienkonform und technologisch auf dem neuesten Stand. Zudem steht Ihnen jederzeit ein fester Ansprechpartner vor Ort in Deutschland zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie gerne und unterstützen Sie bei der Planung und Umsetzung Ihrer klinischen Studien.
Referenzen
[1] U.S. Food & Drug Administration (FDA): Clinical Outcome Assessment (COA): Frequently Asked Questions. Online: https://www.fda.gov/about-fda/clinical-outcome-assessment-coa-frequently-asked-questions, abgerufen 09.01.2025.
[2] https://eprovide.mapi-trust.org/advanced-search?database=proqolid, abgerufen 09.01.2025.
[3] Westrick, M., Wehling, H., Fürchtenicht, A. (2023): Das Potenzial der Patient-Reported Outcomes. In: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Patient-Reported Outcomes. Wie die Patientenperspektive die Versorgung transformieren wird. S. 6-15. Online: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/patient-reported-outcomes-3?tx_rsmbstpublications_pi2%5BfilterPreis%5D=0&tx_rsmbstpublications_pi2%5Bpage%5D=392&cHash=21fe23a564276823c6038423098d1b20, abgerufen 09.01.2025.
[4] U.S. Food & Drug Administration (FDA): FDA Patient-Focused Drug Development Guidance Series for Enhancing the Incorporation of the Patient’s Voice in Medical Product Development and Regulatory Decision Making. Online: https://www.fda.gov/drugs/development-approval-process-drugs/fda-patient-focused-drug-development-guidance-series-enhancing-incorporation-patients-voice-medical, abgerufen 09.01.2025.
[5] European Medicines Agency (EMA): EMA Regulatory Science to 2025. Strategic reflection. S.31. Online: https://www.ema.europa.eu/en/documents/regulatory-procedural-guideline/ema-regulatory-science-2025-strategic-reflection_en.pdf, abgerufen 09.01.2025.
[6] European Medicines Agency (EMA): Patient experience data in EU medicines development and regulatory decision-making. Outcome of the workshop on 21st September 2022. Online: https://www.ema.europa.eu/en/events/multi-stakeholder-workshop-patient-experience-data-medicines-development-and-regulatory-decision-making, abgerufen 09.01.2025.
[7] Meregaglia, M., Malandrini, F., Angelini, S. & Ciani, O. (2023): The Assessment of Patient‑Reported Outcomes for the Authorisation of Medicines in Europe: A Review of European Public Assessment Reports from 2017 to 2022. Applied Health Economics and Halth Policy 21: 925-935. Online: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10627987/, abgerufen 09.01.2025.
[8] Bundesministerium für Gesundheit: Machbarkeitsstudie indikationsübergreifendes Patient Reported Outcome Measurement – Digitalisierung nutzen für eine patientenzentrierte Gesundheitsversorgung (DigiPROM). Online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/machbarkeitsstudie-indikationsuebergreifendes-patient-reported-outcome-measurement-digitalisierung-nutzen-fuer-eine-patientenzentrierte-gesundheitsversorgung-digiprom-kurzbericht.html, abgerufen 09.01.2025.